Die Kaffeemaschine läuft unentwegt, hier klimpert Geschirr, dort bestellt jemand eine Stachelbeertorte und einen Cappucino. Am Tisch nebenan wird angeregt geplaudert. Im Bistro-Cafe Anker Villa in Rheda-Wiedenbrück herrscht unüberhörbar der alltägliche Betrieb. Sergej Pisarev arbeitet hier als Konditor. Vom stetigen Brummen und Zischen der Kaffeemaschine und den vielen anderen Geräuschen bekommt Pisarev nichts mit – denn er ist gehörlos.
Ob ihn das in seinem Job einschränkt? „Keineswegs“ gibt Sergej Pisarev mit Unterstützung einer Gebärdendolmetscherin klar zu verstehen. Pisarev ist Konditor aus Leidenschaft und jeden Tag mit vollem Herzblut bei der Sache.
Traumjob trotz Einschränkung
Im Alter von drei Jahren ist der gebürtige Russe im Zuge einer Erkrankung taub geworden und auf einem Auge erblindet. Aber Sergej Pisarev hat schnell gelernt, mit diesen Einschränkungen zu leben und glücklich zu sein. Heute, sei er froh, dass er die Gebärdensprache von Kindesbeinen an lernen konnte, erklärt er. „Die Taubheit war deshalb nie ein großes Hindernis in meinem Leben. Ich kannte es ja nicht anders“, übersetzt die Dolmetscherin seine Gedanken.
An Sergej Pisarevs Gestik und Mimik erkennt man, dass er enthusiastisch ist, wenn er über seinen Beruf als Konditor spricht. Er fühlt sich wohl in seiner Position in der Anker Villa.
Schon früh sei für ihn klar gewesen: Ich möchte Konditor werden. Gesagt, getan. Mit Unterstützung der Diakonischen Stiftung Ummeln absolvierte Sergej Pisarev problemlos seine Ausbildung zum Konditor.
Kuchen backen, Gebäck verzieren und Brötchen backen – das Handwerk des Konditors als Gehörloser zu erlernen sei gar nicht so unterschiedlich im Vergleich zur üblichen Ausbildung. „Wir haben statt zu reden viel geschrieben und unser Unterricht war vielleicht etwas praktischer orientiert, aber wir sind in der üblichen Zeit von drei Jahren fertig geworden“, erklärt der Konditor, der heute in Bielefeld lebt.
Wohlfühlen und weiterbilden
Nochmal einen anderen Beruf ausüben? Nein, das kann sich Sergej Pisarev nicht vorstellen. Zu wohl fühlt er sich in der Küche der Anker Villa. „Aber ich möchte unbedingt noch meinen Meister machen“, weiß er schon ganz genau.
Ihm ist bewusst, dass das anstrengend werden kann, aber mit der Diakonischen Stiftung Ummeln als Träger der Anker Villa im Rücken ist er zuversichtlich, sein Ziel zu erreichen. Weiterentwicklung ist ihm wichtig.
Sergej Pisarev ist stolz auf das, was er geschafft hat. Der Dolmetscherin erklärt er, dass er so zufrieden ist, weil er seinen Job beherrscht und weil er hier selbstständig arbeiten kann – denn Torten wollen nicht reden.